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Coverstory

Agiler, schlanker, profitabler: FACC macht sich fit für die Zukunft

In den vergangenen Jahren hat sich die Entwicklung des Flugzeugmarkts verändert. Belief sich das Marktwachstum von 2008 bis 2018 noch auf über 5 Prozent p. a., dürfte es in den kommenden Jahren nur noch bei rund 2,5 Prozent liegen – Effekte der Corona-Krise nicht berücksichtigt. Diese Phase etwas geringeren Wachstums möchte FACC gezielt dazu nutzen, um sich auf die neue Dynamik vorzubereiten, die der Flugzeugmarkt ab 2025 erwartet.

Mit einem angestrebten jährlichen Umsatzwachstum von rund 5 Prozent in den nächsten fünf Jahren müsste die Unternehmensführung von FACC eigentlich zufrieden sein. Schließlich liegt diese Rate deutlich über jener des weltweiten Flugzeugmarkts. Dennoch hat sich der Konzern tiefgreifende strukturelle Reformen verordnet, um sich nachhaltig solide im Markt zu positionieren und gleichzeitig seine Ertragskraft zu steigern. An ihrer grundsätzlichen Umsatzstrategie wird FACC nichts ändern: Wachstum soll primär durch höhere Marktanteile auf jenen Plattformen erzielt werden, auf denen FACC bereits vertreten ist.

Vor dem Hintergrund, dass die Ratenvorschauen für die kommenden Jahre zuletzt nach unten korrigiert wurden und die Dynamik im Markt deutlich zurückgegangen ist, scheint dieser strategische Ansatz durchaus schlüssig, zumal FACC diesen Weg schon seit vielen Jahren erfolgreich beschreitet und auch weiterhin schneller als der Markt wachsen möchte. Im Geschäftsjahr 2018/19 wuchs der Konzernumsatz von 750 Mio. EUR auf 780 Mio. EUR, und auch im Rumpfjahr 2019 erzielte das Unternehmen – hochgerechnet auf zwölf Monate – ein leichtes Plus von rund 2 Prozent. FACC schloss damit einmal mehr an die Wachstumsraten der vergangenen Jahre an. Ermöglicht wurde diese Steigerung auch dadurch, dass das Auslaufen des Winglet-Programms für die B737 vollständig durch Neuanläufe kompensiert werden konnte.

Das Konzernergebnis konnte mit dieser Entwicklung indes nicht mithalten. Es lag mit gut 40 Mio. EUR im Jahr 2018/19 um rund 20 Mio. EUR unter jenem des Vorjahres, ähnlich verhält es sich mit den 35 Mio. EUR des Rumpfjahres 2019. In Sachen Profitabilität besteht also noch Luft nach oben. Und hier möchte FACC nun ansetzen. Als mittelfristiges Ziel hat die Konzernführung eine EBIT-Marge von 8 bis 10 Prozent definiert. Anfang 2020 brachte FACC daher einen ambitionierten Fahrplan zur Anpassung ihrer Kostenstruktur auf den Weg.

Einsparungen und Erhöhung der Wertschöpfung

Konkret möchte FACC in den Bereichen Material und Einkauf, Produktion sowie Fixkosten jährlich bis zu 50 Mio. EUR einsparen. Mit 32 Mio. EUR soll der Unternehmensbereich Interiors am meisten zu diesem Sparziel beitragen. Die Division, die im vergangen Jahr bei einem Umsatzanteil von 35 Prozent leicht negativ zum EBIT von FACC beigetragen hatte, wird breiter im Markt aufgestellt – etwa durch eine intensivierte Bearbeitung des Segments Business Jets oder durch das Insourcing der Fertigung von strategischen Bauteilgruppen. Eine Maßnahme ist hier etwa die geplante Errichtung eines neuen Produktionswerks in Kroatien. Mehr zu diesem Standort lesen sie auf Seite 51. Konzernintern schnitt zuletzt der Aerostructures-Bereich am besten ab. Er erwirtschaftete 2019 43 Prozent des Umsatzes und 83 Prozent des operativen Ergebnisses. Der Anteil des Segments Engines & Nacelles am EBIT betrug im abgelaufenen Geschäftsjahr 19 Prozent bei einem Umsatzanteil von 22 Prozent. Für Interiors liegen die größten Herausforderungen in den umfassenden Konfigurationsmöglichkeiten für die Kunden. Auf der anderen Seite kann FACC Interiors jedoch auf eine hervorragende Marktstellung verweisen: Bei Gepäckablagen liegt der Marktanteil der Division bei über 40 Prozent. Damit zählt FACC weltweit zu den Top-3-Playern in diesem Produktsegment.

Neue Struktur, neue Schwerpunkte

FACC auf dem Weg zu einer vereinfachten, digitalisierten und agileren Organisation.


Eine schlankere Struktur
ermöglicht schnellere
Entscheidungen
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Reduktion der Fixkosten
auf allen Ebenen
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Leistungsorientierte
Systeme
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Mehrjährige
Zielsetzungen
|
Investitionen in weitere
Optimierung und
langfristiges Wachstum
 

Fitnessprogramm im gesamten Konzern

Auch wenn im Interiors-Segment aktuell am meisten Handlungsbedarf besteht, werden die geplanten Strukturmaßnahmen den gesamten Konzern betreffen. Denn dass sich der Umsatz von FACC in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach oben entwickelte, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die prognostizierten Ratenabrufe der wichtigsten Plattformen – auf die sich FACC in den vergangenen Jahren strukturell ausgerichtet hatte – zuletzt nach unten korrigiert werden mussten bzw. zeitlich nach hinten verschoben wurden. Auf diese neue Situation stellt sich FACC mit einer Reihe von Lean-Initiativen und Optimierungsprogrammen ein. Neben der angestrebten EBIT-Marge von 8 bis 10 Prozent lauten die Ziele: ein jährliches Umsatzwachstum von mehr als 5 Prozent, eine Nettoverschuldungsquote von ca. 2,5 und eine Dividendenausschüttungsquote von 20 bis 30 Prozent.

Doch FACC reagiert mit diesen Maßnahmen nicht nur auf das geänderte Marktumfeld, sondern sie bereitet sich dadurch vor allem frühzeitig auf spannende Herausforderungen in der Zukunft vor. In den nächsten fünf bis zehn Jahren soll die nächste Flugzeuggeneration vorgestellt werden, an der FACC in Form intensiver Entwicklungstätigkeit bereits heute aktiv mitarbeitet. Für diese und künftige Pionierarbeit spielt sich FACC mit den laufenden Programmen ebenso frei wie für jene Herausforderungen, die im Rahmen der Erweiterung ihres Leistungsportfolios auf sie warten: Im Bereich Aftermarket Services hat sich das Unternehmen in jüngster Zeit mit innovativen neuen Lösungen hervorragend positioniert, und bei der Entwicklung des ersten selbstfliegenden Lufttaxis von EHang war FACC von Anfang an federführend mit an Bord.

Cabin Interiors auf Schiene

Bis 2023 soll das Segement Cabin Interiors auf einen nachhaltigen Wachstumskurs gebracht werden.
 

Effizienzsteigerung durch
Lean Manufacturing
|
Reduktion der
Materialkosten
|
Vertikale
Integration
|
Senkung der Lohnkosten
durch Werksgründung
in Kroatien
 

Hohe Nachfrage langfristig ungebrochen

Langfristig dürfte die weltweite Nachfrage nach konventionellen Flugzeugen auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten steigen. 2018 wurden Flugzeuge von knapp 5 Milliarden Reisenden als Transportmittel genutzt. Gleichzeitig hatten rund 80 Prozent aller Menschen noch nie ein Flugzeug betreten. Das Potenzial ist also enorm. In Märkten wie China, Indien oder Indonesien wächst der Wohlstand beständig – und mit ihm die Anzahl der nachgefragten Passagierkilometer. Bis 2050 könnte sich das Passagieraufkommen gegenüber dem aktuellen Stand vervierfachen. Von diesem Wachstum wird auch FACC profitieren, denn schon heute sind Produkte des Unternehmens auf allen wichtigen Verkehrsflugzeugen vertreten – und das Auftragsbuch von FACC ist über Jahre gut gefüllt. Allein von März bis Dezember 2019 konnten neue Aufträge im Wert von 800 Mio. USD akquiriert werden. Und dass sich die positiven Marktprognosen mit hoher Wahrscheinlichkeit verwirklichen werden, zeigt ein Blick in die Vergangenheit, in der dies immer wieder eindrucksvoll belegt werden konnte.

Positiv fällt die Prognose auch für Urban Air Mobility aus. FACC schätzt das weltweite Marktpotenzial für den innerstädtischen Flugverkehr mit autonomen Fluggeräten auf 21 Mrd. USD jährlich. Wachsende Megacitys und immer dichterer Straßenverkehr könnten die Zahl sogar noch erhöhen. In diesem Marktsegment der Zukunft hat sich FACC gemeinsam mit EHang längst in Poleposition gebracht.

Am Ball für die Zukunft

Langfristiges Wachstumspotenzial erhofft sich FACC aber auch aufgrund eines anderen Aspekts: Während sich das Passagieraufkommen im Flugverkehr bis zum Jahr 2050 vervierfachen könnte, soll der Anteil des durch den Flugverkehr verursachten CO2-Ausstoßes im gleichen Zeitraum nahezu halbiert werden. Dieses Ziel verdeutlicht die enormen Anstrengungen, die in Sachen (Material-)Entwicklung notwendig sein werden. Mit ihren Leichtbaulösungen wird FACC dabei eine zentrale Rolle spielen. Vorausgesetzt natürlich, es gelingt dem Unternehmen, seine Position im Markt, bei seinen Kunden und in Sachen Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Technologie durch besondere Agilität auch in Zukunft zu behaupten. Auch dafür möchte sich FACC mit ihrem Fitnessprogramm freispielen und ihre Aktivitäten in drei zentralen Säulen schärfen: Innovation und Kundennutzen, Know-how und Stabilität sowie Wachstum und Vielfalt.

Finanzierungsstrategie

Mehr Agilität steht auch im Zentrum einer neuen Finanzierungsstrategie des Konzerns. Mittelfristig soll die Anzahl an unterschiedlichen Finanzinstrumenten gesenkt werden, um die Komplexität zu reduzieren und die Kosten zu senken. Außerdem möchte FACC auch Finanzierungen in US-Dollars abschließen, um das Währungsrisiko zu verringern.

Nach einem Jahr, in dem FACC ihr dreißigjähriges Gründungsjubiläum feierte und mit berechtigtem Stolz auf ihre bisherigen Erfolge zurückblickte, richtet sich das Unternehmen nun noch stärker als bisher in Richtung Zukunft aus. In vielen Unternehmensbereichen wurden strategische und strukturelle Anpassungen lanciert, alle mit dem Ziel, FACC noch agiler, schlanker und profitabler zu machen – und damit fit zu werden für weitere Höhenflüge in der Zukunft.