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Interview mit dem Vorstand

Committed to the sky

Im Gespräch mit dem Vorstandsteam der FACC AG, Robert Machtlinger (CEO), Andreas Ockel (COO), Aleš Stárek (CFO) sowie Yongsheng Wang (CCO), über Verwerfungen in der Luftfahrt- und der Flugzeugindustrie durch Covid-19 und die mittelfristig dennoch positiven Zukunftsaussichten in einem sehr herausfordernden Markt

Herr Machtlinger, starten wir gleich mit dem heuer wohl unvermeidlichen Thema Corona: Wie hat sich die Pandemie auf FACC ausgewirkt, und wie sind Sie damit umgegangen?

Robert Machtlinger:

Wirklich zu spüren bekommen haben wir Covid-19 erst ab dem zweiten Quartal 2020, bis in den März hinein ist unser Geschäft sogar noch sehr gut gelaufen. Das Thema Corona hat uns aber bereits im Jänner beschäftigt, denn wir waren bezüglich des Werks unseres strategischen Zulieferers in China mit der Frage konfrontiert, wie wir die Produktion nach dem chinesischen Neujahrsfest unter sicheren Bedingungen wieder aufnehmen können. Diese Problematik und der enge Kontakt zu unserem Mehrheitseigentümer AVIC haben uns hier insofern einen Startvorteil verschafft, den wir dann in Österreich nutzen konnten. Zudem kam ich auch auf einem jährlichen Supplier Meeting im Februar, zu dem immer Lieferanten aus der ganzen Welt anreisen, frühzeitig mit dem Thema in Berührung, hier wurde schon ein mögliches Überschwappen der Infektionen auf Europa diskutiert.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Robert Machtlinger:

Wir haben bereits ab Februar verschiedene Szenarien entwickelt und bewertet, von denen dann leider der Worst Case – nämlich ein längeres Anhalten einer globalen Pandemie – eingetreten ist. Von Anfang an waren wir dabei auch laufend in engem Kontakt mit unseren Kunden. Im Wochentakt haben wir neue Daten gesammelt und in unsere Modellrechnungen integriert, dadurch wurde das Bild immer klarer. Dieser Prozess hat sich etwa bis Mai hingezogen, bis unsere Kunden ihren Bedarf für 2020 endgültig deutlich nach unten angepasst hatten. Das Reiseaufkommen war mittlerweile zum Erliegen gekommen, und eine baldige Erholung stand außer Frage. Damit haben auch wir einigermaßen genau gewusst, worauf wir uns einzustellen hatten – nämlich auf ein Umsatzminus in der Größenordnung von rund 250 Mio. EUR.

Parallel zu alldem haben wir natürlich umgehend umfassende Hygiene- und Schutzmaßnahmen im ganzen Unternehmen getroffen. Eine eigene multifunktionale Covid-Taskforce, bestehend aus Management, Betriebsmedizin, Vertretern der operativen Bereiche und der Kundenbetreuung sowie Belegschaftsvertretern, hat in der ersten Phase tatsächlich an sieben Tagen der Woche getagt. Unsere internen Regeln für Contact Tracing und auch Heimquarantäne waren wesentlich strenger als die von der Politik verordneten, auch unsere Kantine haben wir sofort geschlossen und unsere Mitarbeiter auf andere Weise kostenlos verpflegt. Dadurch ist es insgesamt gelungen, die Infektionsrate im Unternehmen sehr gering zu halten und Betriebsunterbrechungen zu vermeiden.

Und wie sah es mit Ihrer Supply Chain aus? Hier gab es ja bei vielen Unternehmen Schwierigkeiten ...

Andreas Ockel:

Hier kommt ein weiterer Vorteil zum Tragen, den uns die relativ frühe Information verschafft hat: Wir haben unsere Versorgung frühzeitig aktiv gesichert und waren – anders als so manches andere Unternehmen – nie gezwungen, den Betrieb mangels der erforderlichen Materialversorgung einzustellen. Wir hatten unsere Bestände an kritischen Materialien rechtzeitig aufgestockt. Außerdem haben wir unsere Lieferanten sehr genau überwacht, von der Liefertreue her ebenso wie von der Finanzsituation. Denn eine Stilllegung kam für uns nicht in Frage, schließlich sind wir ein wichtiger Baustein im Gesamtsystem. Und das ist gelungen. Auch unsere Kunden attestieren uns, dass wir von allen Zulieferern am raschesten und umfassendsten reagiert haben. Dadurch gab es 2020 in keinem Fall Probleme mit der Belieferung.

Finanzierung bzw. Liquidität waren dabei nie ein ­Problem?

Aleš Stárek:

Auch im Finanzbereich haben wir natürlich unmittelbar reagiert und – im Rahmen der verschiedenen Szenarien, die Robert Machtlinger vorhin erwähnt hat – die entsprechenden Cashflow-Prognosen erstellt. Neben massiven Kosteneinsparungen haben wir dazu umgehend Gespräche mit unseren finanzierenden Banken geführt. Im Juni haben wir zusätzlich eine Covid-Finanzierung der Oesterreichischen Kontrollbank im Ausmaß von 60 Mio. EUR aufgenommen und dadurch die Liquidität für das Unternehmen weiter verbessert. Alle durch Corona notwendigen Wertberichtigungen haben wir übrigens schon im zweiten Quartal – und damit früher als viele andere Unternehmen – in die Bücher genommen.

Und wie haben die Mitarbeiter auf die teils drastischen Veränderungen durch Corona reagiert?

Andreas Ockel:

Extrem kooperativ. Ein wesentlicher Faktor war dabei wohl unsere bewusst aktive und klare Kommunikation. Wir sind hier von Beginn an eine Strategie größter Offenheit und Ehrlichkeit gefahren, denn Beschönigen hätte nichts geholfen, im Gegenteil. Gleichzeitig ging es darum, den Kolleginnen und Kollegen zu zeigen, dass wir die Dinge im Griff haben, und ihnen damit auch Mut zu machen. In Summe haben wir mit allen unseren Maßnahmen das Handlungsprinzip für Notsituationen in der Luftfahrt angewendet: Aviate (also den Betrieb aufrechterhalten) – Navigate (sich orientieren und den neu berechneten Kurs einschlagen) – Communicate (Transparenz für alle Beteiligten schaffen).

Sie mussten aber auch Mitarbeiter abbauen ...

Robert Machtlinger:

Ja, leider. Schon im Mai war klar, dass wir unseren Mitarbeiterstand angesichts des reduzierten Umsatzniveaus voraussichtlich nicht würden halten können. Eine Zeit lang hat uns hier die Kurzarbeit geholfen, die Phase des unklaren Ausblicks zu überbrücken, doch im Herbst mussten wir uns dann schweren Herzens von 650 Mitarbeitern trennen, natürlich begleitet von einem umfangreichen Sozialpaket. Das ist für beide Seiten ein schmerzhafter Einschnitt, denn wir verlieren durch diese Abgänge natürlich auch wertvolles Know-how und Erfahrung, abgesehen von den menschlichen Implikationen. Umso wichtiger ist es zu betonen, dass ein starkes, kompetentes, motiviertes und leidenschaftliches Team auch weiterhin zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren für unser Unternehmen zählt.

Wie sieht es sonst mit Kostensenkungen aus? Wo stehen Sie zum Beispiel bei Ihrem Restrukturierungsprogramm F.A.C.T, und hat es hier durch Corona zusätzliche Maßnahmen gegeben?

Robert Machtlinger:

Das Programm F.A.C.T, das wir schon 2019 gestartet hatten, ist 2020 mit voller Kraft umgesetzt worden. Da dieses Programm für ein normales Umfeld geplant war, hat es aber natürlich nicht gereicht, deshalb haben wir nochmals nachgeschärft. Die wesentlichen Schwerpunkte sind die Verschlankung unserer Administration, die Konsolidierung unserer Supply Chain, verstärkte vertikale Integration und die Erweiterung unseres Produktions-Footprints in Low-Cost Countries. Zudem haben wir 2020 die Inbound-Logistik wieder zu uns ins Haus geholt und damit ca. 60 Arbeitsplätze neu geschaffen. Umgekehrt haben wir die ursprünglich zwei Abteilungen für Forschung und Bauteilentwicklung zusammengelegt, unsere zwei Qualitätsabteilungen in einer Einheit zusammengeführt und aus sechs technischen Abteilungen drei gemacht.

Andreas Ockel:

Die Konsolidierung unserer Supply Chain bietet einen besonders starken Hebel, denn sie repräsentiert mit etwa 60 Prozent den Löwenanteil unserer Kosten. Wir haben hier für jede einzelne Produktkategorie eine eigene Strategie aufgesetzt, um Performance und Potenzial unserer Lieferanten zu entwickeln. Diese werden dazu in vier Felder eingeteilt: Maintain, Develop, Grow, Exit. Ursprünglich wollten wir den Kreis unserer Supplier um 10 Prozent reduzieren, letztlich ist es aber sogar mehr geworden. Und im Februar 2021 haben wir mit dem Programm FACC Compete Partner eine weitere Initiative gestartet. Sie soll Lieferanten in einem Markt, der nicht wächst, zu Wachstum verhelfen. Dies geschieht durch die Reallokation eines Einkaufsvolumens von insgesamt 75 Mio. EUR von Exit-Lieferanten hin zu anderen Suppliern über die nächsten zwei Jahre. Wir wollen den Kreis unserer Lieferanten dadurch von derzeit 440 auf unter 400 weiter konsolidieren und zudem nochmals Kosten sparen. Der Name Compete leitet sich übrigens von den Kernbegriffen bzw. -zielen des Programms ab: Cost Effectiveness, Operational Excellence, Materials of the Future, Partnership and Passion, Efficiency in all Processes, Transparency in Quotations, Environmental and Social Responsibility.

Sie haben vorhin noch vertikale Integration erwähnt ...

Andreas Ockel:

Damit wollen wir mittelfristig unsere Wertschöpfungskette vertiefen. Ein Beispiel aus dem Vorjahr ist der Bereich metallische Bearbeitung, für den wir am Standort Reichersberg auch eigens investiert haben und der spürbar an Volumen gewinnt. Damit können wir nun z. B. komplexe Aluminiumbeschläge selbst fertigen. Ein weiteres Thema sind Möbel für Business Jets, die wir bisher zu 100 Prozent zugekauft haben und in Zukunft auch selbst herstellen werden. Auch verschiedene Arbeitsschritte der Composite-Wertschöpfungskette haben wir aus der Supply Chain wieder in den eigenen Bereich gezogen und steigern damit die Auslastung unserer eigenen Kapazitäten.

Und wie steht es mit der Präsenz in Low-Cost Countries, konkret Ihrem Greenfield Investment in Kroatien?

Andreas Ockel:

Dieses Projekt – ein neues High-Tech-Composite-Werk in der Nähe von Zagreb – haben wir angesichts der Coronapandemie natürlich reevaluiert und auch redimensioniert, aber wir starten 2021 dennoch mit dem Bau. Ab 2022 sollen hier auf rund 10.000 Quadratmetern Produktionsfläche Leichtbaukomponenten für Passagierkabinen von Verkehrsflugzeugen und Business Jets gefertigt werden. Das Werk war von Beginn an so konzipiert, dass es für steigende Abrufe in der Zukunft jederzeit skaliert werden kann. Damit bleibt es ein wichtiges Element in unserer organischen Wachstumsstrategie.

Parallel dazu setzen wir weiter auf unsere bestehenden internationalen Standorte in den USA, Kanada, der Slowakei, Indien und China. Denn globale Präsenz in allen Wachstumsmärkten und Nähe zu unseren Kunden sind essenziell für uns. Das Werk in Wichita zum Beispiel gewinnt durch das MRO-Geschäft immer stärker an Bedeutung. Die Zertifizierung nach EN 9110 für Wartungsarbeiten bringt uns hier noch einen bedeutenden Schritt vorwärts. Bisher durfte FACC nur solche Flugzeugkomponenten reparieren, warten und überholen, die sie selbst gefertigt hatte. Die Zertifizierung nach EN 9110 erlaubt uns nun, auch Bauteile anderer Unternehmen instand zu setzen. Nach Wichita soll dieses Geschäft auch nach Montreal und dann nach Asien ausgerollt werden.

Wie gestaltet sich das Geschäft in China? Dank Ihres Hauptaktionärs AVIC sind Sie in diesem wichtigen Wachstumsmarkt ja gut verankert ...

Yongsheng Wang:

China hat sich auch in der Pandemie als stabiler Markt erwiesen, hier gab es im vergangenen Jahr keine Ratenkürzungen. Im Gegenteil, wir sind 2020 auf den für uns relevanten Plattformen sogar leicht gewachsen. Und auch für 2021 sieht das Bild gut aus: Heuer soll bereits die hundertste COMAC ARJ21 ausgeliefert werden – nach bisher 47 ausgelieferten Einheiten sind das 53 weitere Flugzeuge dieses Typs in nur einem Jahr. Ebenso ist die Verkehrszulassung der COMAC C919 für 2021 geplant. Parallel dazu fungieren wir als wichtiger Partner in der Entwicklung der Xi’au MA700. Insgesamt bedeutet das hohe Dynamik für FACC in China.

Robert Machtlinger:

Diese Entwicklung zeigt, dass wir 2004, als wir in diese Projekte zu investieren begannen, zu Recht an China als vielversprechenden Markt geglaubt haben. Als „Early Believer“ ernten wir jetzt die Früchte dieser damals visionären Entscheidung.

Gab es 2020 auch Neugeschäft – der Krise zum Trotz?

Robert Machtlinger:

Das gab es tatsächlich, denn wir waren neben allen anderen, teils erzwungenen Aktivitäten des Vorjahres auch in der Auftragsakquisition sehr emsig. In Summe haben wir 2020 beachtliche Neuprojekte mit einem Auftragswert jenseits der Grenze von 1 Mrd. EUR gewonnen. Gleichzeitig haben wir in neuen Programmen wichtige Meilensteine erreicht, so etwa mit der ersten Auslieferung der neuen Entrance Area für die A320-Familie von Airbus oder mit dem Abschluss der Erst­musterfertigung der neuen Radoms für die A220-Familie. Und bei den neuen XL-Bins für den A320 haben wir die Fertigungsrate erhöht und auf Serienniveau gebracht.

Ein für Ihren Erfolg zentrales Thema war seit jeher Innovation. Was hat sich hier im vergangenen Jahr getan?

Robert Machtlinger:

Selbst in der Krise haben wir in diesen Bereich weiter investiert und z. B. unser Technologiezentrum mit einer Hochleistungsthermoplastpresse ausgestattet. Parallel dazu wurde intensiv am Projekt Wing of Tomorrow gearbeitet, in der zweiten Phase stehen hier derzeit Ausstattungsteile wie etwa Landeklappen und Spoiler im Fokus. Ziel ist es, diese komplexen Komponenten schneller, einfacher und kostengünstiger zu produzieren. Auch die Forschung an neuen, grünen Materialien für den Leichtbau ist intensiv weitergelaufen. Vor allem für den Kabinenbereich entstehen hier interessante biologische – und damit rezyklierbare – neue Werkstoffe. Fertiggestellt wurde 2020 das Lav4All, eine innovative barrierefreie Toilette für Single-Aisle-Flugzeuge. Auch unter dem Eindruck der Coronapandemie beschäftigen wir uns neuerdings zudem mit neuartigen antiviralen und antibakteriellen Oberflächen sowie mit Luftreinigungssystemen. Und last, but not least, haben wir 2020 das Testzentrum und Materialprüfungslabor CoLT zur Gänze übernommen und können dadurch Synergien noch besser nutzen.

Wie geht es nun weiter – wird die Luftfahrt nach Corona je wieder an die Zeit vor der Krise anknüpfen können?

Robert Machtlinger:

Davon sind wir überzeugt. Denn die Luftfahrt ist aus der heutigen Gesellschaft und Wirtschaft nicht wegzudenken, die Welt ist einfach arbeitsteilig organisiert und dicht vernetzt. Man muss nur bedenken: 2019 haben 4,9 Mrd. Menschen ein Flugzeug benutzt, gleichzeitig haben 80 Prozent der Menschheit noch nie ein Flugzeug von innen gesehen. Allein das zeigt, welch immenses Potenzial hier besteht. Derzeit wird geschätzt, dass das Reiseaufkommen in der Luftfahrt 2024 oder 2025 wieder auf das Niveau vor der Krise ansteigen und danach stufenweise weiterwachsen wird. Dies allerdings mit einer deutlichen Verschiebung von den hochentwickelten westlichen Ländern in Richtung Asien.

Ein wesentlicher Faktor dieses Wachstums ist die Urbanisierung bzw. der Trend in Richtung Megacitys, der immer mehr Point-to-Point-Flugverkehr generieren wird. Dies wird vor allem die Nachfrage nach Flugzeugen im Mittelsegment erhöhen. Parallel dazu gibt es für die Luftfahrtindustrie angesichts der Klimadiskussion sehr ambitionierte Ziele für mehr Nachhaltigkeit im Reisen und Fliegen. Dafür haben wir mit unseren Leichtbauteilen die richtige Technologie.

Das klingt durchaus optimistisch. Welche Strategie ­verfolgen Sie in diesem Umfeld?

Robert Machtlinger:

Weiterhin ist unser Kurs – zumindest mittelfristig – auf Wachstum ausgerichtet. Wir haben Mitte 2020 begonnen, eine Strategie für die nächsten zehn Jahre zu entwickeln – die bisherige Strategie FACC 2020 war ja zeitlich an ihrem Ende angelangt. Zwei Kernfragen haben uns dabei beschäftigt: Welches Potenzial besteht im Kernsegment Aviation, und welche weiteren Möglichkeiten bieten sich in der Luftfahrt? Und die zweite Frage lautete: Welche zusätzlichen Anwendungsgebiete gibt es für unsere Kernkompetenzen? Leichtbautechnologie ist eine High-Tech-Anwendung, die auch in anderen Mobilitätsbereichen, zum Beispiel in der Bahn- oder Automobilindustrie, in der Windkraft oder für industrielle Anwendungen stark an Bedeutung gewinnt. Allerdings ist in diesen Branchen der Wettbewerb durch vergleichsweise niedrigere Material- und Qualitätsansprüche extrem hoch. Diese Märkte sind daher in Summe für uns nicht attraktiv. Denn in der Luftfahrt – erweitert um zusätzliche Bereiche – liegt deutlich höheres und interessanteres High-End-Potenzial, das wir für unser hochqualitatives Wachstum nutzen wollen.

Deshalb haben wir uns entschlossen, weiterhin fokussiert auf dieses Segment zu setzen. Unsere neue Strategie FACC 2030 steht daher auch unter dem Motto „Committed to the sky“. In einem von Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Globalisierung, Digitalisierung und Klimawandel geprägten Umfeld wollen wir weiterhin innovative Lösungen für die zivile Luftfahrt bieten und hier nicht nur Marktanteile gewinnen, sondern auch unser Kunden- und Produktportfolio sowie unsere Fertigungstiefe erweitern. Zusätzlich forcieren wir unsere Aktivitäten im Segment Urban Air Mobility, in dem wir uns gemeinsam mit unserem Partner EHang ja schon als weltweiter Vorreiter etabliert haben. Bis 2030 soll der Umsatzanteil, den wir mit Transportdrohnen, Lufttaxis und Co. erwirtschaften, auf 10 Prozent steigen. Und als drittes Standbein möchten wir auch in den Bereich Raumfahrt vordringen, der zunehmend Potenzial verspricht. Auch hier können wir uns mit unseren Leichtbaulösungen als attraktiver Technologiepartner positionieren.

Getaktet ist dieser Weg in drei Phasen: Bis 2022 wollen wir primär die von Covid-19 bedingten Einbrüche kompensieren, zwischen 2023 und 2025 wollen wir bestehende Flugzeugflotten mit vollkommen neuen Komponenten schrittweise verbessern, und ab 2025 kommt der Eintritt in die erwähnten neuen Märkte hinzu.

Sie haben gerade das Projekt EHang erwähnt – wo stehen Sie hier gerade?

Robert Machtlinger:

Mit der Flugtestgenehmigung für Österreich und Europa haben wir hier 2020 einen wichtigen Meilenstein erreicht. Ende 2020 fanden auch schon erste Zertifizierungsflüge an unserem Standort in St. Martin statt. Das ist extrem wichtig, um autonomes Fliegen, das in China ja längst Realität ist, auch in Europa zu etablieren. Da Personentransport aber das komplexeste Thema in diesem Feld ist, möchten wir in den nächsten Jahren auch Lösungen für Logistik und Überwachung entwickeln und arbeiten auch gerade an einem spannenden großen Logistikprojekt mit signifikantem Umsatzpotenzial ab 2024 oder 2025. Parallel dazu treiben wir das hoch intelligente Konzept EHang intensiv weiter voran. Ein Element dabei ist die Entwicklung eines funktionierenden Operating-Modells für die Produktion in China, hier können wir in Sachen Qualität viel beitragen.

Und der Bereich Raumfahrt? Wie sehen die Chancen für FACC hier aus?

Robert Machtlinger:

Auch in diesem Bereich, den wir schon lange beobachten, haben wir in der Vergangenheit schon kleinere Projekte realisiert. Dank des Auftretens privatwirtschaftlicher Akteure wie Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos oder SpaceX von Tesla-Chef Elon Musk erreicht dieses Segment eine völlig andere Dimension. Das bringt auch für uns neue Möglichkeiten, denn bei den bisher vorherrschenden staatlichen Raumfahrtprogrammen hatten wir, außer vielleicht in Europa, so gut wie keine Chancen. Nur kurz zur Illustration des Potenzials in diesem Segment: Während das Composite-Gesamtvolumen in der Flugzeugindustrie vor der Krise knapp 90 Mrd. USD pro Jahr betrug, dürfte jenes der Space-Industrie bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf 150 bis 200 Mrd. USD anwachsen. Das eröffnet auch für uns die Chance, unser bewährtes Leichtbau-Know-how gewinnbringend einzusetzen.

Nach diesem – vielversprechenden – Blick in die Zukunft nochmals zurück zum Jahr 2020. Wie hat sich die betriebswirtschaftliche Situation angesichts von ­Covid-19 entwickelt?

Aleš Stárek:

Corona hat uns hart getroffen und um einige Jahre zurückgeworfen, da gibt es nichts zu beschönigen. Der Umsatz ist wie eingangs erwähnt trotz eines starken ersten Quartals um etwa eine Viertelmilliarde auf rund 527 Mio. EUR eingebrochen, und das Ergebnis war mit etwas über minus 74 Mio. EUR deutlich negativ. Dies beinhaltet aber auch coronabedingte Abschreibungen von knapp 48 Mio. EUR auf Goodwill, Anlagen, Forderungen und Projektkosten, denn die Krise hat eine völlige Neubewertung unserer Assets erzwungen. Wie bereits erwähnt, waren wir mit der Bewertung der Coronaeffekte und den daraus folgenden Maßnahmen sehr früh dran und haben im August auch als eines der ersten Unternehmen wieder eine Guidance gegeben.

Für 2021 haben wir jetzt ein straffes Programm vor uns, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Es umfasst weitere Senkungen bei Material- und Fixkosten, eine strikte Beschränkung auf Wachstumsinvestitionen, eine Optimierung unseres Working Capital durch die weitere Reduktion unserer Lagerbestände sowie die Verbesserung unserer Forderungs- und Verbindlichkeitenstruktur. Parallel dazu laufen intensive Anstrengungen in der Auftragsakquisition und der Gewinnung von Marktanteilen. Damit möchten wir neben den erwarteten Ratensteigerungen unsere Auslastung zusätzlich erhöhen. Die Liquidität für 2021 ist – wie vorhin schon erwähnt – durch die Aufnahme von 60 Mio. EUR Covid-Finanzierung und den Abschluss einer Vereinbarung mit unseren Banken über einen Finanzierungs-Covenant gesichert.

Und wie wird es 2021 weitergehen, wie sieht der ­kurzfristige Ausblick aus?

Robert Machtlinger:

Die Kurve wird sich flach entwickeln, der Umsatz könnte mangels eines so starken ersten Quartals wie im Vorjahr sogar leicht unter dem Vorjahreswert bleiben und um die 500 Mio. EUR liegen, das EBIT sollte ausgeglichen sein. Bei Großraumflugzeugen erwarten wir in nächster Zeit keine Erholung der Raten, bei Schmalrumpfflugzeugen könnten diese jedoch über die nächsten Monate wieder etwas anziehen. Die chinesischen Plattformen sollten sich zumindest stabil entwickeln, die COMAC ARJ21 könnte angesichts des von Yongsheng Wang vorhin erwähnten Ratenanstiegs sogar ein leichtes Plus verzeichnen. Und bei den Business Jets, die 2020 am wenigsten eingebüßt haben, erwarten wir schon 2022 eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau. Einen Neuanlauf haben wir 2021 mit der Produktion der Landeklappen und Wing-to-Body Fairings für den Airbus A321XLR vor uns. Im Zentrum steht bei alldem das von Aleš Stárek vorhin erwähnte Programm, dessen Umsetzung uns 2021 voll in Anspruch nehmen wird.