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Interview mit dem Vorstand

„Der Kurs stimmt …“

Robert Machtlinger (CEO), Andreas Ockel (COO), Aleš Stárek (CFO) sowie Yongsheng Wang (CCO) im Gespräch über die voranschreitende Stabilisierung und die Rückkehr zum Wachstumspfad in der Luftfahrt- und der Aerospace-Industrie ebenso wie bei FACC selbst.

Herr Machtlinger, auch wenn die Wirtschaftsdynamik zuletzt wieder angezogen hat, war 2021 speziell für die Luftfahrt weltweit ein weiteres herausforderndes Jahr. Wie ist es FACC in diesem Umfeld ergangen?

Robert Machtlinger:

Rückblickend ist das Gesamtbild durchaus positiv: Unser Ziel für das Geschäftsjahr 2021 war ein operativer Turnaround im neuen Marktumfeld – und den haben wir erfolgreich umgesetzt. Auch den Roll-out unserer Strategie-Roadmap FACC 2030 haben wir umgesetzt. Konkret bedeutet das: Wir liegen beim Umsatz im Rahmen unserer Erwartungen, haben unser Wachstumsziel in der Akquisition mit Neuaufträgen von rund 1 Mrd. USD erfüllt, auch in unseren neuen Geschäftsfeldern. Besonders erwähnen möchte ich hier unseren ersten Entwicklungsauftrag im Bereich Space. Unser internationaler Footprint wurde um zwei neue Standorte erweitert, und wir haben ein positives operatives Ergebnis erzielt, das sogar über unserem Planwert lag. All das zeigt: Der Kurs stimmt. Leider hat uns die Entscheidung eines Londoner Schiedsgerichts in einem Disput mit einem Lieferanten, der auf Aufträge aus den Jahren 2009–2012 zurückgeht, alle diese Erfolge verhagelt – doch dieser Einmaleffekt ändert nichts an unserer soliden operativen Aufwärtsentwicklung.

Wie sehen die Zahlen für 2021 denn konkret aus?

Aleš Stárek:

Wir haben bei einem Konzernumsatz von 497,6 Mio. EUR ein operatives Ergebnis von 4,3 Mio. EUR erzielt und damit den angestrebten Turnaround klar geschafft. Aufgrund negativer Sondereffekte von 29,4 Mio. EUR – davon knapp 25 Mio. EUR durch die Schiedsgerichtsentscheidung, der Rest Nachlaufposten aufgrund von Covid-19 – liegt das EBIT dennoch bei –25,1 Mio. EUR. Für 2022 rechnen wir aber mit einer deutlichen Aufwärtsentwicklung, die von einem kräftigen Umsatzwachstum getragen sein wird.

Weshalb war die negative Schiedsgerichtsentscheidung so eine Überraschung?

Robert Machtlinger:

Weil uns alle Rechtsberater einen erfolgreichen Ausgang vorhergesagt hatten. Wir haben unserem Verständnis nach alle Vertragsverpflichtungen erfüllt und auch immer versucht, zu einer außergerichtlichen Lösung zu kommen. Das ist leider nicht gelungen, und die Gerichtsentscheidung ist gegen alle Erwartungen ausgefallen. Für die uns auferlegte Zahlung – die im zweiten Halbjahr 2022 zu leisten sein wird – haben wir umgehend Rückstellungen gebildet und den Abgang damit bereits im abgelaufenen Geschäftsjahr vollumfänglich verarbeitet.

Wenn wir uns wieder dem operativen Geschäft zuwenden: Welche Signale erhalten Sie vom Markt, und wie sieht die mittel- und langfristige Perspektive aus?

Robert Machtlinger

Die Wachstumsperspektive über 20 Jahre ist voll intakt – Corona bringt hier eine Verzögerung um maximal zwei bis drei Jahre. Die Flugnachfrage – und damit der Bedarf an neuen Flugzeugen – zeigt mittel- und langfristig einen stabilen Aufwärtstrend. Der Bedarf an hocheffizienten Flugzeugen ist höher denn je, bis 2040 benötigt der Markt ca. 40.000 neue Flugzeuge. Die Menschen wollen reisen, das hat sich auch in der Coronazeit immer wieder gezeigt: Wo immer Restriktionen gelockert wurden, sind die Buchungen nach oben geschnellt. Der US-amerikanische Flugmarkt befindet sich mittlerweile wieder auf 85 bis 87 Prozent seines Volumens vor Covid-19, China liegt bei 80 bis 85 Prozent. Auch in Europa sehen wir in den letzten Monaten eine deutliche Entspannung, die Business-Jet-Flüge haben sogar schon das Vorkrisenniveau hinter sich gelassen. Die Prognosen für 2022 sind damit für die Aerospace-Branche und auch für uns wieder positiv.

Daran ändert auch die Invasion Russlands in der Ukraine nichts?

Robert Machtlinger:

So schrecklich und unvorstellbar diese Situation insgesamt ist, ist sie für unser direktes Geschäft mit russischen Kunden von untergeordneter Bedeutung, denn auf Russland entfallen nur etwa 0,25 Prozent unserer Umsätze. Wir haben auch keine Lieferketten in der Ukraine oder in Russland. Der Order Backlog an westlichen Flugzeugen für Russland ist jedenfalls überschaubar, er beträgt ca. 3,5 Prozent des Weltmarkts, zudem sind Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge derzeit so stark nachgefragt, dass sie leicht umdirigiert werden können.

Wir stehen natürlich voll zu den verhängten Sanktionen und haben unsere Lieferungen eingestellt. Nicht wirklich prognostizierbar ist aber der Einfluss der Kriegshandlungen auf die Preisentwicklung und die Versorgungslage bei Energie und Rohstoffen – hier vor allem Titan, das zu einem hohen Anteil aus Russland stammt –, sowie auf die generelle Entwicklung der Inflationsrate. Wir haben unmittelbar mit Beginn der Invasion eine Taskforce gebildet, beobachten die Lage täglich und entscheiden in engster Abstimmung mit unseren Kunden und Partnern jeweils unmittelbar.

Andreas Ockel:

Als ehemaliger NATO-Pilot, der in einer wehrhaften Demokratie für den Frieden in Freiheit gedient hat, bin ich von den Vorgängen der letzten drei Wochen in der Ukraine zutiefst erschüttert. Unsere volle Solidarität gilt dem ukrainischen Volk und seinem Recht auf Selbstbestimmung. Die von der Wertegemeinschaft der westlichen Welt ergriffenen Gegenmaßnahmen zeigen bereits erkennbar ihre Wirkung. Wir müssen sie nun konsequent durchhalten und auch bei allen weiteren Schritten besonnen agieren. Um den Menschen in ihrer Not tatkräftig zu helfen, hat die FACC Crew samt Familien warme Sachen, Lebensmittel und Bedarfsartikel gesammelt. In kürzester Zeit sind 40 Tonnen an Hilfsgütern zusammengekommen, die per Lkw an ein Verteilzentrum in Polen gegangen sind. Die gleiche Menge, also nochmals 40 Tonnen, haben wir in der darauffolgenden Woche geliefert. Ich bin dankbar, dass die FACC Crew so solidarisch geholfen hat und damit eine klare Botschaft der Hilfsbereitschaft sendet. Und diese Hilfe wird noch für Wochen und Monate erforderlich sein. Was unseren Betrieb betrifft,  werden wir die Störungen in der Lieferkette durch große Flexibilität so gut wie möglich kompensieren. Die Preissteigerungen, die die Weltwirtschaft nun insgesamt erlebt, sind letztlich unser Preis für die Freiheit!

Die Nachfrage ist also trotz Coronapandemie und ­Ukrainekrise ungebrochen hoch.

Robert Machtlinger:

Ja, das zeigt nicht zuletzt unser hoher Auftragseingang im vergangenen Jahr. Wie erwähnt konnten wir in nur einem Jahr Neuaufträge in der Größenordnung von 1 Mrd. USD akquirieren. Die wichtigsten davon betreffen Strukturkomponenten – konkret Höhen- und Seitenruder – für die Airbus A220-Familie sowie wichtige Interior- und Triebwerkskomponenten für Bombardier, Pratt & Whitney und Rolls-Royce. Übrigens haben die großen Hersteller ihre Prognosen für die Flugzeugnachfrage in den kommenden 20 Jahren neuerlich bestätigt – Boeing und Airbus etwa erwarten bis 2040 die Auslieferung von knapp 40.000 bis 44.000 neuen Flugzeugen weltweit. Das ist natürlich auch für uns positiv, zumal wir auf allen wichtigen Plattformen mit unseren Technologien vertreten sind.

Auch im chinesischen Markt dürfte die Entwicklung positiv verlaufen …

Yongsheng Wang

Absolut, China erweist sich weiterhin als stabiler Markt mit solider Nachfrage. Die Raten für die COMAC ARJ21, deren Cockpit- und Passagierkabine FACC fertigt, sind weiter gewachsen insgesamt konnten bereits 66 Flugzeuge dieses Typs ausgeliefert werden. Parallel dazu sind alle Tests für die neue COMAC C919 plangemäß verlaufen und konnten 2022 abgeschlossen werden. Die Verkehrszulassung dieses Flugzeugs, für das FACC Cockpit- und Kabinenausstattungen, Spoiler und Winglets produziert, wird nun für 2022 erwartet. FACC hat erste Serienbauteile für die COMAC C919 geliefert, für 2022 sind weitere zehn Einheiten geplant. Dies zeigt: Der Markteinstieg in China im Jahr 2004 und das starke Commitment von FACC zum stetig wachsenden chinesischen Markt machen sich bezahlt.

Und wie sieht es in Ihren neuen Geschäftsfeldern Urban Air Mobility und Space aus?

Robert Machtlinger:

DAuch hier ist die Dynamik erfreulich hoch. Im Bereich Space ist es uns gelungen, schon im ersten Jahr der Bearbeitung dieses Markts einen Auftrag der europäischen Weltraumagentur ESA zu erlangen – und zwar für ein zentrales Strukturbauteil der neuen Trägerrakete Ariane 6, die sogenannte Kick-Stage Main Structure. Wir haben damit auch ein wertvolles Referenzprojekt gewonnen, das wir in den Gesprächen, die wir mit allen großen Anbietern im Space-Bereich führen, nutzen können. Um hier näher an unseren potenziellen Kunden zu sein, haben wir übrigens unser US-Verkaufsteam in Seattle deutlich verstärkt.

Im Bereich Urban Air Mobility sind wir ja schon länger gemeinsam mit unserem Partner EHang aktiv und verzeichnen auch hier gute Fortschritte. Mittlerweile stehen in China rund 80 EHangs auf der Basis von Einzelgenehmigungen im Güter- und Personentransport im Einsatz. Sie haben insgesamt bereits um die 20.000 Flugstunden absolviert, davon rund 12.000 mit Menschen an Bord. Diese Einsätze dienen nicht zuletzt der Datensammlung für die Zulassungsunterlagen. Bereits 2022 erwarten wir auf dieser Basis erste behördliche Zulassungen in China. In Österreich führen wir mit EHang und weiteren Partnern laufend regionale Pilotprojekte durch. Ein gutes Beispiel dafür sind Kooperationen mit dem Österreichischen Roten Kreuz bzw. mit Krankenhäusern für den Transport von Medikamenten, Blutkonserven und Organen. Wir spüren hier hohes Interesse von Politik und Behörden.

Daneben arbeiten wir intensiv an einem zweiten Urban-Air-Mobility-Projekt, für das wir nach etwa einem Jahr Entwicklungsarbeit im Juli 2021 erste fliegende Komponenten abgeliefert haben. Nähere Details dazu dürfen wir derzeit nicht kommunizieren, erwarten aber – so die Prognosen zutreffen – ab 2025 jährliche Umsätze in der Größenordnung eines hohen zweistelligen Millionen-Dollar-Betrags

Sie haben sich mit der neuen Strategie FACC 2030 auch noch weitere Ziele vorgenommen, so etwa eine Optimierung des operativen Geschäfts …

Andreas Ockel:

Wir sind nach Umsetzung des Anfang 2020 eingeleiteten Kostenoptimierungsprogramms bereits mit einer gestärkten Organisation ins Jahr 2021 gestartet. Auf dieser Basis ist die angestrebte operative Stabilisierung sehr erfolgreich verlaufen – bis hin zu einem klar positiven operativen Ergebnis. Eine wichtige Maßnahme war hier die Reduktion unserer Bestände an Rohmaterial, Halbzeugen und fertigen Produkten, die natürlich entsprechende Cashflows freigesetzt hat, ebenso wie die weitere Reduktion unserer Durchlaufzeiten in der Produktion. Der Balanceakt dabei war und ist es, unser gewohnt hohes Qualitätsniveau und unsere Lieferfähigkeit zu gewährleisten und auch unsere Supply Chain zu sichern, trotz der Verwerfungen durch Corona. Meine Führungskräfte kennen meinen Spruch „Liefern ist Trumpf!“. Neben die kommerzielle Komponente der angestrebten Kostenersparnis tritt damit also auch ein operativer Aspekt. Dieser Ausgleich ist uns denke ich gut gelungen. Einen wesentlichen Beitrag hat hier übrigens auch das COMPETE Partner Programm geleistet, das die Leitlinien unseres Einkaufs beschreibt – also wie wir unsere Supply Chain optimieren und uns auf jene Lieferanten konzentrieren, mit denen gemeinsam wir langfristig wachsen wollen.

… sowie verstärkte vertikale Integration.

Andreas Ockel:

Auch bei der Umsetzung unserer Insourcing-Strategie sind wir sehr gut vorangekommen. Neben der metallischen Bearbeitung, in die wir schon 2020 am Standort Reichersberg investiert hatten und die zunehmend an Volumen gewinnt, haben wir 2021 vor allem die gesamte Logistik ins Haus geholt. Dies betrifft einerseits die Warehouse Logistics, also die Material- und Lagerbewirtschaftung, die wir mittlerweile zur Gänze selbst abdecken. Als zweiten Schritt haben wir die interne Logistik in der Produktion organisatorisch mit der Lagerlogistik zusammengefasst. Und schließlich haben wir die bei Flugzeugteilen sehr komplexe Verpackungslogistik ins Unternehmen integriert. Damit ist die Logistik nun ein wesentlicher Teil der Wertschöpfungskette innerhalb von FACC geworden, und das mit weiterem Potenzial zur Optimierung der Prozesse. In allen drei Bereichen ist der Übergang reibungslos und ohne jeden Einfluss auf unsere Lieferfähigkeit verlaufen. Das hatte ich zwar so erwartet, umso mehr hat es mich aber natürlich gefreut, dass auch alles wie geplant geklappt hat. In Summe sind nun etwa 200 Mitarbeiter in diesem Bereich tätig. Unsere Logistikexperten hatten übrigens großen Anteil daran, dass unsere Hilfslieferungen für die Ukraine so rasch verpackt und abtransportiert werden konnten.

Parallel dazu haben Sie Ihren Footprint auch durch neue Standorte erweitert …

Andreas Ockel:

Hier ist zunächst unser neues Werk 6 in der Nähe von Zagreb zu nennen, das ebenfalls der vertikalen Integration dient, denn wir erledigen hier Arbeitsschritte, die früher extern erfolgt sind. Konkret ist dies die Oberflächenbearbeitung von Interior-Teilen, insbesondere von Overhead Stowage Compartments für die A320-Familie. Diese Insourcing-Strategie setzen wir auch weiter fort und haben mit dem Werk 6 den Grundstein dafür gelegt. Das neue Werk konnte übrigens in Rekordzeit von nur zehn Monaten errichtet werden und hat nach der erfreulich raschen behördlichen Genehmigung bereits im November 2021 seinen Betrieb aufgenommen. Offiziell eröffnen werden wir es nun im Juni 2022.

Robert Machtlinger:

Wir haben diese Investition vor dem Hintergrund der Coronapandemie natürlich in Frage gestellt, uns aber letztlich für eine Umsetzung – wenn auch in reduziertem Umfang – entschieden und sind sehr zufrieden damit. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt die gute Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte, die in Kroatien dank eines guten Ausbildungssystems gegeben ist. Wir konnten dadurch seit dem vergangenen Sommer etwa 150 Mitarbeiter neu einstellen, weitere 50 bis 100 werden heuer noch folgen. Sogar IT-Fachkräfte beschäftigen wir mittlerweile zum Teil in Kroatien, weil sie hier verfügbar sind. Im Effekt bedeutet das: Der Schritt nach Kroatien ist nicht nur von den Kosten her vorteilhaft, sondern auch eine wirksame Maßnahme gegen den Fachkräftemangel in Österreich. Abgesehen davon erweist er sich in Sachen Produktivität, Qualität und Cultural Fit als überaus positiv.

Und der zweite neue Standort?

Andreas Ockel:

Der zweite neue Standort befindet sich in Melbourne, Florida. Als Filiale unseres Werks in Wichita soll er unser MRO-Geschäft (MRO – Maintenance, Repair, Overhaul) weiter forcieren. Florida ist als großer Markt für Business-Jet-Flüge der ideale Standort dafür, denn hier finden die meisten Reparaturen und Refurbishing-Aktivitäten statt.

Kapazitätserweiterungen bedeuten Investitionen – wie viel haben Sie 2021 insgesamt investiert?

Andreas Ockel:

In Summe lagen unsere Investitionen bei knapp 20 Mio. EUR – und damit unter dem ursprünglich freigegebenen Niveau. Wir haben im aktuellen Umfeld alle Investitionen sehr kritisch hinterfragt und uns auf wesentliche Projekte konzentriert. Rund die Hälfte der Investitionen entfiel auf das neue Werk in Kroatien, der Rest floss in neue Projekte, unsere Insourcing-Maßnahmen sowie eine Produktivitätssteigerung in der Produktion durch Umstellung auf automatisierte Fließbandfertigung, die auch für Großserien geeignet ist. Die Investition in Kroatien hatten wir übrigens zunächst auf rund ein Drittel gekürzt, eine Erweiterung ist vorgesehen. Und Flächenreserven auf unserem Grundstück haben wir dort genug.

Neue Aufträge, Insourcing und neue Standorte schaffen Bedarf an zusätzlichen Mitarbeitern. Wie gehen Sie mit dem allseits beklagten Fachkräftemangel um?

Robert Machtlinger:

Wir stellen uns dem Wettbewerb um die größten Talente durch ein attraktives Arbeitsumfeld, gute Karrierechancen, breite Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, vielfältige Zusatzangebote im Interesse der Mitarbeiterzufriedenheit und gezieltes Employer Branding. Damit kommen wir auch gut an. Ein Beispiel dafür ist, dass ehemalige Mitarbeiter häufig den Weg zu uns zurückfinden, weil sie FACC im Vergleich mit anderen Unternehmen einfach als den attraktiveren Arbeitgeber empfinden. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, die richtigen Mitarbeiter in der benötigten Zahl zu finden. Dass uns der Schritt nach Kroatien hier hilft, habe ich schon erwähnt.

Motivation scheint bei FACC tatsächlich gut zu funktionieren, denn Sie haben bezüglich Covid-19 eine sehr hohe Immunisierungsquote erreicht. Wie ist das gelungen?

Andreas Ockel:

Mit über 80 Prozent liegen wir hier tatsächlich weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Betriebe, und das ohne jegliche Verpflichtung. Darauf sind wir schon stolz. Wir haben es uns zur Führungsaufgabe gemacht, die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auch selbst vorzuleben. Flächendeckende Tests am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit sind für uns alle einfach zur Routine geworden, hinzu kam eine eigene Impfstraße für unsere Mitarbeiter und für Menschen aus dem Umfeld, betreut durch unsere eigenen Betriebsärzte. Durch umfassende Aufklärung auf allen in Betracht kommenden Kanälen haben wir ein enorm hohes Akzeptanzniveau erreicht. An den regelmäßigen Tests haben immerhin 99,8 Prozent der Belegschaft teilgenommen – wir konnten dadurch allein im Geschäftsjahr 2021 mehr als 80.000 Testungen am Standort durchführen – schnell, unbürokratisch und im Sinn der Gesundheit unserer Crew und ihrer Familien.

Herr Stárek, über die operativen Zahlen des Jahres 2021 haben Sie schon eingangs gesprochen. Wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Aleš Stárek:

Wir sind weiterhin auf lange Sicht stabil finanziert. Ein wichtiges Highlight ist hier sicher, dass wir die Nettoverschuldung 2021 stärker reduzieren konnten als geplant. Sie liegt mit 177,8 Mio. EUR um fast 55 Mio. EUR unter dem Jahresanfangswert von 232,1 Mio. EUR. Wesentliche Treiber dieser erfreulichen Entwicklung waren ein konsequentes Working-Capital-Management, insbesondere die schon erwähnte Reduktion unserer Lagerbestände, sowie die gute Zahlungsmoral unserer Kunden. Sehr positiv ist auch, dass wir einige Einmalzahlungen für Projektentwicklungen erwirken konnten. In Summe haben wir einen Free Cashflow von beachtlichen 70,5 Mio. EUR erwirtschaftet.

Mehr finanzielle Flexibilität haben wir uns im zweiten Halbjahr 2021 übrigens durch Einführung eines zweiten Factoring-Programms geschaffen. Ähnliches gilt für ein Supply-Chain-Financing-Programm, das wir mit einem Bankpartner entwickelt haben und etwa Mitte dieses Jahres ausrollen werden. Wir gewinnen damit noch größere Beweglichkeit im Working-Capital-Management und können auch unseren Lieferanten ein wertvolles Finanzierungstool anbieten.

Das Londoner Schiedsgerichtsurteil hat eine Anpassung der Konditionen Ihrer Kernfinanzierung erforderlich gemacht. Wie haben sich die Konsortialbanken hier verhalten?

Aleš Stárek:

Extrem kooperativ und vertrauensvoll. Die Einmaleffekte aus dem Urteil haben die Einhaltung des Financial Covenant für unser syndiziertes Darlehen gefährdet, und dies konnte in partnerschaftlich geführten Verhandlungen durch Anpassungen sowohl der Berechnungsmethode als auch des Covenant selbst bereinigt werden. Dass dies in sehr engem Zeitrahmen so gut gelungen ist, zeigt die gute wechselseitige Beziehung und das Vertrauen, das uns unsere Bankpartner entgegenbringen. Dafür gebührt ihnen auch großer Dank.

Vertrauen ist auch an der Börse ein essenzieller Faktor. Wie sehen Sie die Kursentwicklung Ihrer Aktie, und was spricht (weiterhin) für ein Investment in FACC?

Aleš Stárek:

Unsere Kursentwicklung verläuft weitgehend parallel zu jener unserer Peers – insofern sind wir den Höhen und leider auch Tiefen unserer Branche unterworfen. FACC punktet dennoch wie schon seit dem Börsegang durch ihren hohen Diversifikationsgrad bei Produkten und Kunden, ihre hochentwickelte Technologie, ihre hohe Qualität und Liefertreue und ihre Handschlagqualität. Ein weiteres, immer wichtigeres Asset ist der Umstand, dass unsere Technologie den Übergang zu „grünem“ Fliegen beschleunigt und wir zudem bei unseren Produkten auf Recyclingfähigkeit großen Wert legen. Damit ist FACC für breite Schichten von Investoren attraktiv.

Herr Machtlinger, zum Abschluss bitte noch um Ihren ­Ausblick auf das Jahr 2022.

Robert Machtlinger:

2022 wird nach zwei sehr herausfordernden Jahren wieder ein Jahr des Wachstums. 2021 haben wir mit dem operativen Turnaround und dem hohen Auftragseingang die Weichen in Richtung Expansion gestellt, nun nehmen wir an Fahrt auf. 2022 rechnen wir mit einer überdurchschnittlichen Umsatzsteigerung von ca. 10 Prozent, das EBIT sollte im niedrigen zweistelligen Euro-Millionenbereich liegen. Das bedeutet eine Verdreifachung, die wir auch dank positiver Volumeneffekte auf die Profitabilität erreichen sollten. Hintergrund dieser optimistischen Einschätzung ist eine steigende Flugzeugnachfrage vor allem im Kurz- und Mittelstreckensegment und eine entsprechende Steigerung der Fertigungsraten. Für uns interessant ist hier insbesondere die A320-Familie, das derzeit erfolgreichste Flugzeug im Markt, auf der wir stark vertreten sind. Doch auch bei den Business Jets ziehen die Produktionszahlen an. Um das steigende Volumen zu bewältigen, werden wir an den Standorten in Oberösterreich mehr als 200 neue Mitarbeiter einstellen. Zudem werden wir in den nächsten fünf Jahren 150 Mio. EUR in Technologie, Forschung & Entwicklung, Fertigung sowie neue Projekte investieren. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits eingangs gesagt habe: Der Kurs stimmt.