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Markt

Mittelfristig zeigt die Kurve wieder nach oben

Unter dem Eindruck von ­Covid-19 ist der Bedarf an ­neuen Flugzeugen und somit an Flugzeugteilen 2020 deutlich eingebrochen. Dennoch geht FACC mittel- und langfristig von einer stabilen Aufwärtsentwicklung des Flugzeugmarkts aus. Und sieht zusätzliches Potenzial in attraktiven neuen Geschäftsfeldern wie Urban Air Mobility und Raumfahrt.

Die Marktdaten der letzten 60 Jahre zeigen, dass sich das Luftverkehrsaufkommen etwa alle 15 Jahre verdoppelt hat. Dies gilt, trotz erheblicher Krisen wie 9/11, SARS oder der Finanzkrise im Jahr 2008, auch für die vergangenen zwei Jahrzehnte. Covid-19 hat den weltweiten Luftverkehr nun erneut stark getroffen und ist im Vergleich zu den anderen Krisen zudem anders zu bewerten. Für die nähere Zukunft sind Prognosen deshalb denkbar schwierig. Dennoch geht Boeing in der aktuellen Ausgabe des alljährlich veröffentlichten Commercial Market Outlook (Boeing, Commercial Market Outlook 2020–2039) wieder von einem mittel- und langfristigen Wachstum aus.

Flugverkehr und Nachfrage nach Flugzeugen steigen weiter

Hintergrund ist eine erwartete weitere Zunahme im Flugverkehr, der nach aktueller Einschätzung spätestens 2025 wieder an das Vorkrisenniveau anschließen und vor dem Hintergrund eines durchschnittlichen globalen BIP-Wachstums von jährlich 2,5 Prozent bis 2039, dem Ende des aktuellen Prognosezeitraums von Boeing, im Schnitt um 4,0 Prozent pro Jahr zulegen dürfte. Betrugen die weltweit geflogenen Passagierkilometer im Jahr 2019 insgesamt 12,2 Billionen, sollen sie 2039 bereits bei 18,7 Billionen liegen. Auch nach früheren Krisen – so etwa nach 9/11, SARS oder der Finanzkrise 2008 – hat sich die Flugindustrie meist innerhalb weniger Jahre erholt. Die aktuelle Wachstumsverlangsamung der Aerospace-Industrie dürfte sich also keineswegs als langfristiger Trend erweisen.

Dagegen spricht auch ein Blick auf die makroökonomische Entwicklung: Vor allem in den großen Wachstumsmärkten der Region Asien-Pazifik steigt der Wohlstand ungebrochen – und mit ihm die Zahl der nachgefragten Flugkilometer. Während 2019 insgesamt 4,9 Mrd. Flugreisende gezählt wurden, hatten gleichzeitig 80 Prozent der Menschheit noch nie ein Flugzeug benutzt. Allein dies illustriert das immense Potenzial, das hier noch besteht. Bis 2050 könnte sich der globale Passagierverkehr vor allem durch den steigenden Wohlstand in den großen Märkten China und Indien gegenüber 2019 vervierfachen.

Auf Grundlage dieser Prognosen erwartet Boeing bis 2039 einen Bedarf von 43.110 neuen Flugzeugen. Während hier in den nächsten Jahren der Schwerpunkt vermehrt auf Flottenerneuerung durch den Ersatz in die Jahre gekommener Flugzeuge liegen dürfte, sollte mittelfristig die Rückkehr zum früheren Wachstumspfad gelingen. So werden für den Zeitraum 2020 bis 2029 insgesamt 18.350 Auslieferungen erwartet, denen im Zeitraum 2030 bis 2039 deutlich höhere 24.760 gegenüberstehen. Im Detail umfasst die Prognose die Auslieferung von 2.430 neuen Regional-Jets, 32.270 Single-Aisle-Flugzeugen, 7.480 Großraumflugzeugen und 930 Transportflugzeugen. Im Ergebnis sollten damit im Jahr 2039 insgesamt 48.400 Flugzeuge im Einsatz stehen, dies entspricht einem jährlichen Flottenwachstum von 3,2 Prozent gegenüber dem Stand von 25.900 Flugzeugen Ende 2019.

Die Bedeutung von Frachtflugzeugen wird dabei in den nächsten beiden Dekaden angesichts der hohen Bedeutung des E-Commerce stetig steigen. Die weltweite Frachtflotte dürfte dadurch bis Ende 2039 um nahezu 60 Prozent auf 3.260 Flugzeuge anwachsen. Neben den bereits erwähnten 930 neuen Einheiten werden dazu auch 1.080 Standard- und 420 Großraumflugzeuge in Frachtflugzeuge umgebaut werden.

Vielversprechende Veränderungen in der Aerospace-Industrie

Neben der Klimadiskussion und dem Ziel, den CO2-Haushalt signifikant zu verbessern, hat gerade Covid-19 in der Flugzeugindustrie Trends ausgelöst bzw. verstärkt, die für FACC mit ihrem Know-how- und Technologieportfolio, ihrem Produktions-Footprint und ihrer Industriekenntnis wichtige Vorteile bringen. Dazu zählen die noch stärkere Betonung von Aspekten wie Effizienz, Material- und Prozessoptimierung sowie Automatisierung,  die Forderung nach geografischer Nähe zu den Standorten der Kunden im Interesse perfekter Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Belieferung, die Präsenz in Best-Cost Countries und die verstärkte Forderung nach Kreislaufwirtschaft. Rezyklierbare und nachwachsende Materialien, verbesserte aerodynamische Strukturen sowie die Reduktion von Lärmemissionen stehen hier im Fokus.

Daneben interessiert sich die Gesellschaft in zunehmendem Maß für neue Mobilitätsformen, darunter den wachsenden Bereich des autonomen Fliegens (Urban Air Mobility, UAM), sowie für alternative Antriebsformen, insbesondere solche auf Basis von synthetischen Treibstoffen, elektrischem Strom oder Wasserstoff. Auch neue Anwendungsbereiche vorhandener Technologien werden gesucht, so etwa in den Bereichen Brennstoffzellen, Windkraft, Batterien, Medizintechnik etc. Parallel dazu gewinnen gerade unter wirtschaftlich angespannten Bedingungen die Themen Retrofit und Maintenance an Bedeutung – und damit Bereiche, in denen sich FACC in den vergangenen Jahren mit dem neuen Geschäftsfeld Aftermarket Services stark positioniert hat.

Hohe Dynamik in den Sparten UAM und Space

Interessantes Potenzial versprechen zudem neue Geschäftsfelder wie die UAM, für die sich FACC ebenfalls bereits in Stellung gebracht hat, oder die Raumfahrt. Allein das jährliche Marktpotenzial für Personentransporte via Drohne schätzt das international renommierte Beratungsunternehmen Roland Berger2) für 2050 mit 90 Mrd. USD ein, hinzu kommen Anwendungen wie Paketzustellung, Medizintransporte oder Überwachung in ebenfalls substanziellem Ausmaß. 160.000 kommerzielle Passagierdrohnen werden bis 2050 weltweit benötigt, schätzt Roland Berger. Und der Wachstumspfad bis dahin verläuft steil: rund 5.000 sollen es im Jahr 2030 sein, bereits um die 45.000 im Jahr 2040, etwa viermal so viel zur Mitte des Jahrhunderts.

Der Takeoff – also der Start eines laufenden kommerziellen Flugbetriebs in ersten europäischen und nordamerikanischen Städten – wird für 2025 erwartet, so etwa in Paris oder Dallas. In China wird die Kommerzialisierung sogar noch früher erfolgen, bereits im Jahr 2021 sollen Drohnenflüge in großen Städten sowie für touristische Zwecke angeboten werden. Hauptnutzungsgebiete werden Materiallogistikflüge, Taxidienste, Airport Shuttles und Überwachungsflüge sein. Die trotz der Coronapandemie ungebrochen hohe Dynamik in diesem Segment schätzen offenbar auch Investoren, allein in der ersten Hälfte 2020 flossen 907 Mio. USD in Start-ups der Branche, zwanzigmal so viel wie noch im Jahr zuvor.

Noch rascher, da in Summe weniger komplex, könnte die Entwicklung bei Logistik- und Überwachungsdrohnen verlaufen. Aktuelle Schätzungen prognostizieren der Paketlieferung mit Drohnen für das Jahr 2030 ein weltweites Marktvolumen von rund 27 Mrd. USD, hauptsächlich getrieben durch steigenden Bedarf nach schneller Lieferung sowie eine Abnahme der Restriktionen für zivile Drohnen.

Im Bereich Space wiederum erhöht sich die Dynamik – abgesehen von der immer breiteren Palette an Nutzungs- bzw. Anwendungsmöglichkeiten – durch den Einstieg privatwirtschaftlicher Player, die neben die traditionellen nationalen Raumfahrtprogramme treten. Anders als früher ist die Entwicklung hier nicht mehr primär von nationalen Schwerpunkten, sondern vom Markt und seinen Anforderungen getrieben und orientiert sich an den nachgefragten Services. Von den rund 180 zwischen 2015 und 2019 neu gelaunchten institutionellen Satelliten dient immerhin mehr als ein Drittel zivilen Zwecken. Im Vordergrund der privatwirtschaftlich interessanten zivilen Anwendungen stehen neben Erdbeobachtung vor allem Satellitenkommunikations- und Navigationsdienste, die in einer von Digitalisierung und Mobilität geprägten Gesellschaft stetig an Vielfalt und Volumen zunehmen.

Die größte Bedeutung davon hat die Satellitenkommunikation. In dieses Feld fallen auch neue Anwendungsgebiete wie Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M) bzw. Internet of Things (IoT), In-Flight Connectivity, Connected Cars, maritime Sicherheit und Hoffnungsgebiete wie z. B. das System ­EuroQCI, ein neues System der EU-Kommission zur Gewährleistung von Cybersecurity. Die Schätzungen für das aktuelle jährliche Marktvolumen im Segment Raumfahrt variieren je nach Quelle zwischen knapp 300 Mrd. USD und 420 Mrd. USD, Tendenz jedenfalls steigend. Nicht überraschend ist daher der Einstieg diverser Investoren und Großunternehmen wie SpaceX, BlueOrigin, Oneweb, Telesat etc., die in den nächsten Jahren Tausende Satelliten ins All senden dürften. Neue Geschäftsmodelle wie Weltraumtourismus, interplanetare Transporte, Space Resource Utilisation oder bemannte Flüge in niedriger Erdumlaufbahn sorgen für zusätzliche Phantasie.

Quellen